rhw-management-hauswirtschaft-3-2024

In der Kita Anna Haag in Stuttgart-Bad Cannstatt gibt es ein ganz besonderes Hauswirtschaftskonzept. Das liegt vor allem daran, dass auch die Kita selbst eine ganz besondere Einrichtung ist – sie ist Teil des wohl ältesten Mehrgenerationenhauses Deutschlands.

Auf den ersten Blick spielen sich in der Kita Anna Haag die gleichen Szenen ab wie in jeder anderen Kinderbetreuungseinrichtung. In dem einen Gruppenraum sitzen Kinder am Tisch und puzzeln. In einer anderen Gruppe werden Jacken und Schuhe für den Besuch im Garten angezogen. Und eine weitere Gruppe Jungen und Mädchen verlässt gerade in Zweierreihen die Kita, es geht zum gemeinsamen Singen.
Aber der zweite Blick verrät, dass irgendetwas anders ist: eine Seniorin sitzt bei den puzzelnden Kindern mit am Tisch, die Kinder treffen sich zum Singen mit Bewohnern eines Seniorenzentrums, das sich in direkter Nachbarschaft befindet, nämlich in den beiden Stockwerken über der Kita. Und sie werden begleitet von Anne Heidenreich, der festen Hauswirtschaftskraft des Kindergartens. Bevor die 30-Jährige das Mittagessen holt, kann sie noch ein wenig am Musikangebot teilnehmen.
Anne Heidenreich (Foto) arbeitet seit mehr als zehn Jahren in der Kita. „Ich wollte immer gerne etwas mit Kindern machen, am liebsten Krankenschwester werden. Aber das ging nicht“, erzählt sie. Denn Anne Heidenreich ist eine junge Frau, die zuvor eine Fördergruppe, eine Bildungsmaßnahme für junge Menschen mit Behinderung, besucht hat. Dass sie eigenverantwortlich in der Kita arbeitet, das liegt am besonderen Konzept der Kita Anna Haag und dem gesamten Anna Haag Mehrgenerationenhaus.

Die gesamte Hauswirtschaft unter einem Dach
Denn dort wird nicht nur das Generationen übergreifende Arbeiten, sondern auch die Inklusion großgeschrieben. In der Bildungsstätte, die sich ebenfalls unter dem Dach der Einrichtung befindet, werden Jugendliche, die von der Sonder- oder Förderschule kommen, in verschiedenen Berufen ausgebildet – unter anderem auch zur Fachpraktikerin Hauswirtschaft, Fachpraktikerin Küche und Fachkraft Gastgewerbe.
Den praktischen Teil ihrer Ausbildung absolvieren sie im eigenen Haus. Denn das Mehrgenerationenhaus verfügt über eine Großküche. Die ist nicht nur ein Ausbildungsbetrieb, sondern Regelversorger für das Seniorenzentrum, die zwei Kitas (eine davon befindet sich außerhalb des Hauses), die Bildungsstätte und weitere Fachbereiche. Zwischen 500 und 600 Essen werden täglich zubereitet.
Auch eine Wäscherei gehört zum Mehrgenerationenhaus, und auch diese hat allein mit der eigenen Wäsche jede Menge zu tun – vom Bettlaken bis zum Putzlappen wird dort alles gewaschen. Dazu kommen externe Aufträge. Ein weiterer Ausbildungsbereich ist die Reinigung. In diesem Bereich vermischen sich verschiedene Arbeitsformen: zum einen kommen die Azubis der Bildungsstätte zum Einsatz, zum anderen aber das Tochterunternehmen Tandiem.
Das offiziell anerkannte Integrationsunternehmen beschäftigt behinderte und nicht-behinderte Mitarbeiter: zurzeit sind es etwa 40 Angestellte im operativen Geschäft. Alle werden gleichberechtigt eingesetzt und gleichberechtigt bezahlt. Durch das tägliche Training werden die behinderten Mitarbeiter mit den realen Anforderungen des ersten Arbeitsmarktes vertraut gemacht.
„Ziel ist es, die Menschen soweit zu qualifizieren, dass sie sich lösen können“, erläutert Britta Kurz, Unternehmenssprecherin des Anna Haag Mehrgenerationenhaus. Die Tochtergesellschaft übernimmt als hauswirtschaftlicher Volldienstleister zum einen externe Aufträge. Zum anderen werden auch Aufgaben im Mehrgenerationenhaus übernommen. Anne Heidenreich, die Hauswirtschaftshilfe der Kita, ist beispielsweise bei Tandiem angestellt.
Mehr zum Thema lesen Sie in der aktuellen rhw management-Ausgabe 3/2018.
Isabelle Butschek